Medien und Sexualität
Medien thematisieren Sexualität - auch und gerade im "crossmedialen
Zeitalter". Werbespotts, fiktionale Filme, Talkshows, Magazine und
Webseiten enthalten Elemente der Erotik und der körperlichen Interaktion
oftmals selbst dann, wenn sie nicht der zentrale Inhalt sind.
Wichtige mediale Revolutionen sind in ihrer Anfangszeit eng mit Pornografie verknüpft gewesen. Photographie und Film führen ihren Fetischcharakter drastisch vor Augen, wenn sie den menschlichen Körper abbilden. Videotechnik hat das Filmemachen im Bereich der Privat- und Intimsphäre möglich gemacht, ohne das „Fremde“ einen Zugriff auf das erstellte Bild- und Tonmaterial haben müssen. Die Entstehung digitaler Medien hat diese Entwicklung noch einmal verändert – immer mehr Menschen scheinen ihr Privat- und Sexualleben via Internet einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen zu wollen.
Die Veröffentlichung des Privaten hat jedoch auch einen Rückbezug - das Potential intime Handlungen zu standardisieren. Es darf getrost angezweifelt werden, dass das, was in täglichen "Doku-Dramen" und Talkshows in Zusammenhang mit privater Sexualität öffentlich gemacht wird, tatsächlich und immer der Realität entspricht, denn es haben sich – stetig wiederholende und damit selbst erhaltende – Erzählweisen für die Bereiche des Zusammenlebens entwickelt, die in früheren Zeiten gar nicht oder nur in sehr engem Kreise thematisiert wurden.
Der Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch sieht in den Konsummöglichkeiten von Pornografie, die das Internet bietet, eine entscheidende Veränderung: Prinzipiell jeder Mensch kann ohne große Mühe pornographische Inhalte rezipieren – Eltern empfinden sich oftmals überfordert, wenn es darum geht, die Aufklärung der eigenen Kinder nicht von Seiten des Webs erfolgen zulassen.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Unterschied der Wahrnehmung von Sexualität und Pornografie in den Medien durch Frauen und Männer – Untersuchungen belegen einen hohen Pornografiekonsum von Männern und einen schwindend geringen von Frauen.
Das Seminar will untersuchen, auf welche Weise Sexualität in den Medien thematisiert wurde und wird, sowie welche grundsätzlichen Diskrepanzen zwischen der medial repräsentierten Sexualität der Gesellschaft und der empirisch feststellbaren Sexualität sich vermuten lassen, wenngleich eine dem legendären Kinsey-Report ebenbürtige Studie zum Sexualverhalten in unserer Gesellschaft bis dato fehlt. Zudem wird auf den Wandel der Leit- und Massenmedien (Gibt es "crossmedia" eigentlich oder muss von "Mehrmedialität" gesprochen werden?) eingegangen, die auch die Frage nach einem neuen, adäquaten Medienbegriff stellen lassen.
Literatur zur Vorbereitung:
- Baudrillard, Jean: Requiem für die Medien
- Foucault, Michel: Sexualität und Wahrheit I-III
- Lewandowski, Sven: Sexualität in den Zeiten funktionaler
- Differenzierung
- McLuhan, Marshall: Das Medium ist die Botschaft
- Schmidt, Jan: Weblogs - Eine kommunikationssoziologische Studie
- Sigusch, Volkmar: Neosexualitäten. Über den kulturellen Wandel von Liebe
- und Perversion
Bedingungen für den Scheinerwerb: Regelmäßige Teilnahme, Referat und Hausarbeit.