Emotionen im sozialen Prozess

Emotionen sind keine reine Privatsache, wie man gemeinhin annimmt, sondern eng mit sozialen Prozessen verbunden. Heute gilt es, eine neue Verbindung zwischen soziologischen Beschreibungen der Gesellschaft, die vielfach kognitivistisch verengt waren, und dem zeitgenössichen Wissen über Emotionen und Leiblichkeit zu ziehen.

Seit Emile Durkheims Religionssoziologie wissen wir eigentlich, dass Emotionen gerade in kollektiven Situationen und Prozessen eine wichtige Rolle spielen und das Verhalten des Kollektivs ebenso wie  einzelner Akteure steuern und verstärken. Seit den Arbeiten Erving Goffmans wissen wir auch, dass Emotionen in der Interaktion eine wichtige Rolle spielen. Das Individuum im öffentlichen Austausch möchte sich kompetent, regelhaft, gelassen, individuell, originell präsentieren, um seine Identität aufzubauen und zu bestätigen, und dafür mit Zustimmung und positiven Emotionen belohnt werden. Identität steht im Austausch und wird verhandelt, und dabei stehen nicht selten Dinge auf dem Spiel, die hochgradig emotional sind. Gelingen und Scheitern, Freude und Enttäuschung, Liebe und Hass können manchmal nur um Haaresbreite voneinander entfernt sein. Neue Medien erweitern die Möglichkeiten des öffentlichen Austauschs enorm und damit auch die Chancen, Emotionen zu generieren, zu beschleunigen und zu verändern. Emotionen sind ein Motor des Austauschs und der Kommunikaition, und sie können positiv wie negativ enorme Dynamiken entwickeln.

Welche Rolle spielen einzelne Emotionen wie Liebe, Scham, Freude, Trauer, Begehren, Neid und Hass im sozialen Prozess? Stärken sie soziale Bindungen oder stellen sie ein Sicherheitsrisiko dar? Findet in der Moderne, und besonders in der späten Moderne eine soziale Eingrenzung oder eine Entgrenzung von Emotionen statt? Welche sozialen Mechanismen spielen dabei eine Rolle? Wie ist der Konsum von Waren und Bildern in modernen Gesellschaften mit Emotionen verknüpft? Und welche Bedeutung haben Emotionen in Arbeitsprozessen?

Diesen Themen wollen wir uns im Seminar widmen, nachdem wir grundlegende Fragen reflektiert haben wie: Was sind Emotionen überhaupt - sind sie primär als leibliche, psychische oder soziale Phänomene zu beschreiben? Wieso können wir Emotionen des Anderen überhaupt verstehen und nachvollziehen - bzw. können wir das? Gibt es universelle Basisemotionen oder sind Emotionen vollständig von Kulturen geformt und geprägt?

 

Literatur zum Einlesen:

Flam, Helena 2002: Soziologie der Emotionen, UTV Konstanz

Schützeichel, Rainer 2005: Emotionen und Sozialtheorie. Disziplinäre Ansätze. Campus Verlag

 

Scheinvoraussetzungen:

Regelmäßige Teilnahme und engagierte Mitarbeit, Referat, schriftliche Essays und Hausarbeit

Anmeldung erforderlich

 

 

Datenblatt
Semester: 
Sommersemester 2016
Lehrende: 
Ort und Zeit: 
5.012, Di 12:15-13:45; Beginn des Kurses am 19.4.2016
Sprache: 
Deutsch
ECTS MA: 
10.0

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