Soziologie der Kunst
Art is art. Everything else is everything else. (Ad Reinhardt)
In diesem Seminar wollen wir uns aus soziologischer Perspektive der spannenden, wohl nicht endgültig zu beantwortenden Frage „Was ist Kunst?“ nähern. Denn Kunst vermag sich einer einheitlichen Definition zu entziehen. Liegt das daran, dass Kunst einen eigenen gesellschaftlichen Teilbereich, eine „Wertsphäre“ oder ein soziales System bildet? Oder liegt es an der Heterogenität der Möglichkeiten, eine ästhetische Erfahrung zu machen?
Im Zentrum des Seminars sollen die Produktionsseite und die Rezeptionsseite der Kunst stehen. Zur Produktionsseite: Was ist die gesellschaftliche Funktion von Kunst? Was ist die Rolle der Künstler? Wie kam es in historischer und kulturvergleichender Hinsicht zur Kunst? Was ist Kreativität und was sind ihre Bedingungen? Wie sind die Kunstmärkte strukturiert und welche Bedeutung hat ein Kunstwerk aufgrund seiner Stellung im Kunstmarkt? Wie ist die Beziehung zwischen Original und Reproduktion, insbesondere in Zeiten der hohen technischen „Verfügbarkeit“ von Kunstwerken - z.B. als Reproduktionen oder als „Abbilder“ im Internet. Wird das Original durch die Reproduzierbarkeit „entzaubert“, wie Walter Benjamin in seinem klassischen Text schrieb?
Zur Rezeptionsseite: Wie kommt es zur ästhetischen Erfahrung und welche Rolle spielt diese Erfahrung in der Gesellschaft? Hat die moderne Kunst die Religion in ihren Funktionen „beerbt“? Und verehren wir modernen Menschen die Kunst wegen ihrer Fähigkeit zur Außeralltäglichkeit, zur Transzendenz, so sehr? Ist ästhetische Erfahrung vorgeprägt, vorkonstituiert und im Wesentlichen abhängig von der sozialen Schichtung oder Milieubildung? Gibt es Modi ästhetischer Erfahrung, die schicht- und milieuunspezifisch sind? Wie kommt es zum Wandel von ästhetischen Normen? Wie ist die Beziehung zwischen der Ästhetik der Kunst und derjenigen der Populärkultur sowie den „grounded aesthetics“ des Alltags?
Dabei wird sich das Seminar auf die „bildliche“ Kunst konzentrieren und besonders der Frage nachgehen, wie aus dem materiellen Grund eines Werkes (z.B. aus Leinwand, Farbe, Holz oder Stein von Plastiken, Ready-mades) ein „Überschuss an Sinn“, eine „ikonische Differenz“ und eine Präsenz des Kunstwerkes entstehen, die eine besondere ästhetische Erfahrung – und Intensität – zu evozieren vermögen. Eine Frage, auf die noch keine letzte Antwort gefunden worden ist.
Literatur:
- Benjamin, Walter 2006: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M.
- Bourdieu, Pierre 1999: Die Regeln der Kunst. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M.
- Dewey, John 1987: Kunst als Erfahrung, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M.
- Gerhards, Jürgen 1997: Soziologie der Kunst. Produzenten, Vermittler und Rezipienten, VS Verlag, Wiesbaden
- Hauser, Arnold 1974: Soziologie der Kunst, Beck Verlag, München
- Heidegger, Martin 1986: Der Ursprung des Kunstwerks, Reclam, Ditzingen
- Mukarovský, Jan 1970: Kapitel aus der Ästhetik, Suhrkamp, Frankfurt/M.